3_Die Gesichter des Mobbing

wie Rollen ein System formen
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Bianca Daum

Erkennen. Verstehen. Durchbrechen.

Mobbing wirkt oft undurchsichtig. In Wahrheit folgt es einer klaren Struktur. Wo Mobbing entsteht, übernehmen Menschen — bewusst oder unbewusst — bestimmte Rollen. Und diese Rollen halten das System am Leben.

 

Die 5 klassischen Rollen im Mobbingsystem

 

1. Die Täter:innen – das sichtbare Zentrum

 

Täter:innen greifen an. Es beginnt oft schleichend. Erst wird getestet, erst dann der direkte Angriff.

Die Motivation ist of:
– eigener verletzter Selbstwert
– Angst vor Bedeutungslosigkeit
– der Wunsch nach Kontrolle
– Überforderung oder alte Muster

Täter:innen wirken mutig, handeln aber aus Unsicherheit und Machtbedürfnis. Sie „machen sich groß“ in dem sie andere „klein machen“

 

2. Die Mitläufer:innen – die stille Verstärkung

 

Sie lachen mit. Sie nicken. Sie schweigen zur richtigen Zeit. Sie sind selten die Auslöser, aber sie halten das System stabil.

Ihre Motive:
– Angst, selbst zur Zielscheibe zu werden
– Wunsch nach Zugehörigkeit
– Bequemlichkeit
– Orientierung an „den Starken“

Mitläufertum ist einer der wichtigsten, aber am wenigsten reflektierten Faktoren im Mobbingprozess.

 

3. Die Zuschauer:innen – das unsichtbare Machtzentrum

 

Zuschauer:innen tun „nichts“. Und genau das gibt Täter:innen den größten Raum.

Warum?
– Konfliktangst
– Unsicherheit
– fehlende Zivilcourage
– Hoffnung, dass „es sich beruhigt“

Schweigen wird zur Erlaubnis. Zuschauer:innen könnten den Prozess am schnellsten stoppen — tun es aber oft nicht.

 

4. Die Hinterbühne – die Anstachler:innen

 

Diese Gruppe wird häufig übersehen. Sie mobbt nicht offen, sondern zieht im Hintergrund Fäden:
– subtile Kommentare
– Gerüchte
– Manipulation
– stilles Schüren von Konflikten

Sie sind die Energielieferanten des Systems — unsichtbar, aber massiv wirksam.

 

5. Die Betroffenen – das sichtbare Opfer

 

Das Opfer steht im Zentrum der Angriffe, doch es trägt nie die Schuld.

Mobbing trifft Menschen nicht, weil sie schwach sind — sondern weil das System jemanden sucht, um Spannungen abzuladen.

Die Folgen sind tief:
– Identitätszweifel
– sozialer Rückzug
– Angst
– körperliche Symptome
– dauerhafte Veränderungen im Selbstbild

Nach Mobbing wird niemand je wieder dieselbe Version seiner selbst. Mobbing verändert Persönlichkeiten — oft lebenslang.

 

Warum Rollen nicht fest sind

 

Jede Rolle ist veränderbar. Ein Mitläufer kann zum Verbündeten werden. Ein Zuschauer zur Stimme. Ein Opfer zur stärksten Persönlichkeit des Systems. Ein Täter zur reflektierten Kraft.

Niemand ist „für immer“ Täter, Opfer oder Zuschauer. Menschen handeln aus Bedürfnissen, Ängsten und Kontexten — nicht aus Charakter.

 

Wie wir Rollen verändern können

 

– durch Aufklärung
– durch klare Regeln
– durch sichere Beziehungen
– durch Erwachsene, die führen
– durch Teams, die Verantwortung übernehmen
– durch Schulen und Kitas, die Haltung zeigen

Mobbing hört nicht auf, weil wir es „nicht wollen“. Es hört auf, wenn Systeme mutig werden.

Mobbing ist kein individueller Fehler — es ist ein Gruppenphänomen. Ein System mit Rollen, Dynamiken und psychologischen Mustern. Wenn wir diese Rollen erkennen, verlieren sie ihre Macht. Und genau dann entsteht der Moment, in dem Veränderung möglich wird.

 

Ausblick: Blogartikel 4 – Wenn das System krank wird

Im nächsten Teil gehen wir tiefer: Wie entsteht ein Mobbingsystem überhaupt? Was macht ein Team, eine Klasse oder ein Arbeitsplatz anfällig? Und warum bleibt es oft so lange unentdeckt?

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